Abgeschlossene Projekte

   

Am Beispiel von sieben Schweizer Städten 1850-2010

Der Schweizerische Nationalfonds finanziert ab 1. Januar 2014 für die Dauer von drei Jahren am Kompetenzzentrum Liturgik der Universität Bern das Forschungsprojekt „Transformationen städtischer Sakraltopographien (1850-2010). Am Beispiel von sieben Schweizer Städten“. Antragsteller waren Prof. Dr. David Plüss (Theologische Fakultät) sowie Prof. Dr. Bernd Nicolai (Phil.-Hist. Fakultät, Institut für Kunstgeschichte). Mit dem Forschungsprojekt betraut ist mit einer Anstellung von 50% PD Dr. Johannes Stückelberger, Kunsthistoriker, Dozent für Religions- und Kirchenästhetik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum Liturgik. Als wissenschaftliche Hilfskraft (20%) arbeitet Ann-Kathrin Seyffer am Projekt mit. Frau Seyffer hat einen Bachelorabschluss in Theologie und studiert in Basel Kunstgeschichte im Master.

Das Forschungsprojekt geht von der Beobachtung aus, dass sich im Zuge der Erweiterung und Entwicklung der modernen Städte auch deren Sakraltopographien, das Netz der religiösen Orte, verändern. An sieben Fallbeispielen, den Schweizer Städten Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Luzern und Zürich, untersucht das Projekt die Transformationen städtischer Sakraltopographien im Zeitraum von 1850 bis 2010.
Während die alten Städte konfessionell geschlossen waren, werden die modernen Städte multikonfessionell und multireligiös. Neben Kirchen und Kapellen werden Synagogen, Moscheen, Tempel, städtische Friedhöfe und Räume der Stille gebaut. Die Arbeit erforscht die Veränderungen bezüglich der Vielfalt, des Ortes, der Sichtbarkeit und der architektonischen Gestalt der Sakralbauten. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Räumlichkeit des Sakralen, deren Ausdrucksform nicht nur die einzelnen Sakralbauten sind, sondern alle religiösen Orte zusammen, in ihrer Beziehung untereinander und zum städtischen Raum.
In einem ersten Schritt werden die relevanten Daten zu den religiösen Orten sowie zur Stadtentwicklung gesammelt. Im zweiten Schritt werden die Daten übereinandergelegt und die Profile der Sakraltopographien der einzelnen Städte erarbeitet. Im dritten Schritt werden die Sakraltopographien der sieben Städte miteinander verglichen. Neben den Unterschieden sollen in diesem dritten Teil vor allem auch Gemeinsamkeiten und Entsprechungen sichtbar gemacht werden, an denen sich allgemeine Strukturen der Transformationen städtischer Sakraltopographien im 19. und 20. Jahrhundert ablesen lassen. Die Veränderungen halten bis heute an: Neue Gemeinschaften bauen Versammlungsräume, die Sakralräume in öffentlichen Institutionen werden einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft angepasst, die Kirchen denken über Umnutzungen ihrer Gebäude nach. Das Forschungsprojekt liefert für diese aktuellen Diskussionen historisches Grundlagenwissen.

   

Interview-Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern

Aktuelle subjekttheoretische Religionsbegriffe fokussieren auf den Prozess religiöser Erfahrung. Diesen Prozess der Diffusion des Religiösen in vielfältige Kulturbereiche hinein empirisch zu erfassen, ist – insbesondere in der Theologie – bisher erst ansatzweise erfolgt. Pilgern ist ein relevantes Forschungsfeld, weil hier wichtige Aspekte des religionskulturellen Wandels wie Spiritualität und Leiblichkeit sichtbar werden. Zudem zeigt sich hier, wie religiöse Erfahrung an der Schwelle von impliziter und expliziter Religiosität geschieht.

Als Forschungsertrag wird erwartet, gegenwartstypische Verschiebungen hin zu liminoiden individuellen und experimentellen Ritualisierungen exemplarisch nachzeichnen und ihre Einbindung in kulturelle Symbolkommunikation verständlich machen zu können. Nur scheinbar gegensätzliche Tendenzen subjektbasierter Spiritualität und resakralisierender Vergegenständlichung religiöser Erfahrung werden in ihrem inneren Zusammenhang erfasst.
Die Studie arbeitet auf Basis der Grounded Theory mit episodischen Interviews von Pilgern auf dem spanischen Jakobsweg. Damit soll die weitgehend texthermeneutisch orientierte theologische Religionshermeneutik um Methoden für komplexe und stark leiblich geprägte Felder erweitert werden. Die Studie möchte ein gegenwärtig sehr präsentes Feld religiöser Erfahrung erschließen, das theologisch bisher nicht qualifiziert untersucht wurde.

   

Die Bedeutung von Corporealität in der liturgischen Praxis von Frauen

Frauenliturgien sind liturgiewissenschaftlich lange vernachlässigt worden. Mit dieser Untersuchung werden sie zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die Spezifika der liturgischen Praxis von Frauen, besonders aber die zentrale Rolle von Corporealität werden, gedeutet als Performance, verständlich.
Die Spezifika der liturgischen Praxis von Frauen, besonders die zentrale Bedeutung von Corporealität, werden als signifikante Merkmale liturgischer Performance einsichtig.

Brigitte Enzner-Probst: Frauenliturgien als Performance - Die Bedeutung von Corporealität in der liturgischen Praxis von Frauen
Paperback, 495 Seiten € 39,90 (D) / € 41,10 (A) / sFr 69,00 ISBN 978-3-7887-2249-4
Erhältlich in jeder Buchhandlung!

 

   

Eine videobasierte Studie zur Gegenwartsliturgik in den Deutschweizer reformierten Landeskirchen

Wie sieht ein religiöses Ritual in einer Glaubenstradition aus, die das „äussere“ Verhalten klar dem „inneren“ Erleben unterordnet (und somit Ritualität grundsätzlich beargwöhnt)? Und: Wie sehen traditionelle religiöse Rituale in einem kulturellen Umfeld aus, in welchem sowohl Ritualität als auch religiöse Überzeugungen starken Veränderungen unterworfen sind?

In meiner Studie möchte ich den reformierten Gottesdienst als zeitgenössische rituelle Gattung untersuchen. Die reformierten Kirchen der Schweiz kennen keine verbindlichen Agenden und verwenden sehr unterschiedliche liturgische und profane Formate in ihren Gottesdiensten. Die Studie versucht, lokale Gemeindepraktiken im Umgang mit dieser liturgischen „Freiheit“ zu beschreiben. Konkret fragt sie, auf welche Weise reformierte Gemeinden Sonntag für Sonntag ihre zentralen Veranstaltungen zu religiösen Ritualen machen.
Die Studie versucht, im Gegensatz zur vorwiegend normativ-präskriptiv argumentierenden Liturgik, vorderhand eine empirische Beschreibung typischer reformierter Gottesdienste zu liefern. Dabei stützt sie sich auf Videoaufnahmen aus ausgewählten Gemeinden in unterschiedlichen Landesteilen, Beobachtungsnotizen und video-basierte Interviews mit am Gottesdienst Beteiligten. Sie entwickelt ihre Typologie im Gespräch mit sozialanthropologischen und mikrosoziologischen Ansätzen zu zeitgenössischen Ritualen (insbesondere R.L. Grimes und R. Collins).
Zuletzt erörtert sie in Auseinandersetzung mit liturgischen Entwürfen Möglichkeiten und Grenzen eines liturgischen Aufschwungs im landeskirchlich-reformierten Umfeld.

   

Eine liturgietheoretische Untersuchung der Kantaten Johann Sebastian Bachs im Leipziger Gottesdienst seiner Zeit

Anlass der Untersuchung ist die Unübersichtlichkeit, in welcher sich bis heute die Bachforschung in Bezug auf die Zuordnung der Musik Bachs zum Gottesdienst seiner Zeit befindet. Die Stellung der Kantaten innerhalb des Gottesdienstes wirft Fragen auf, die sich nicht liturgiehistorisch deduktiv beantworten lassen, sondern den Kontext der von Bach gewählten Libretti und musikalischen Ausdrucksformen mit berücksichtigen müssen, die sich ihrer Gattung wegen als von aussen in den Gottesdienstablauf integriert verstehen. Insgesamt bleibt das Prinzip, nach welchem Bach Texte auf die Feier des Gottesdienstes hin auswählt, umarbeitet, musikalisiert und als Sätze zu einer Kantate formt, nach wie vor ungeklärt.

An dieser „Dunkelstelle“ liturgietheoretischer Bestimmung der Bachkantaten setzt die Studie an. Aufgrund der in theoretischer Hinsicht dünnen Quellenlage, orientiert sie sich in heuristischer Absicht an einer der wenigen von Bach schriftlich festgehaltenen Reflexionen, mit denen der Komponist Musik und Gottesdienst näher aufeinander bezieht: „Beÿ einer andächtig Musig ist allezeit Gott mit seiner Gnaden=Gegenwart“. Die Auslegung dieser handschriftlichen Randnotiz zu 2 Chr. 5,13 dient als Leitfaden durch die Analyse zweier repräsentativer Querschnitte aus dem umfangreichen Kantatenwerk.
Eine umfassende Beschreibung des zeitgeschichtlichen Kontextes soll sicherstellen, dass der Untersuchungsgegenstand historisch adäquat behandelt wird.
Den Methodenkanon der Studie mitbestimmend ist der Kreis der Personen, an die sie sich richtet: Musizierende und Gottesdienstgestaltende, die an einer liturgisch relevanten Interaktion von Musik und Gottesdienst interessiert sind. Der Hypothese der Arbeit entsprechend, dass Bach tatsächlich konzeptuell an andächtiger Musik arbeitet, gerät auch die Haltung der Zuhörerschaft ins Blickfeld der Untersuchung, auf deren Andacht hin Bachs Musik ausgerichtet ist.

   

Ein Werkbuch für Pfarrerinnen und Pfarrer

Die empirischen Untersuchungen von S. Fopp zur kirchlichen Trauung haben Aspekte in den Blick genommen, die in der bisherigen theologischen Diskussion und Traupraxis weitgehend vernachlässigt wurden. Was bedeutet es für die Traupraxis, wenn die Trauung als grundlegend ambivalentes Ereignis wahrgenommen und als latentes "doing gender" einsichtig wird? Was sind die typischen "Stolpersteine" der kirchlichen Trauung? Was führt zu den "Verlegenheiten", durch die sie gekennzeichnet wird (K. Fechtner) – und die sie für nicht wenige Pfarrpersonen zu einer "ungeliebten" Kasualie machen? Und umgekehrt: Wie können die Chancen dieser Kasualie und die kreativen Möglichkeiten ihrer mannigfaltigen Spannungsfelder entdeckt und Segensräume eröffnet werden?

 

Ausführung: Prof. Dr. Christoph Müller, Dr. Simone Fopp, Matthias Grünewald